Wir fahren nach Breuil-Cervinia um unsere Tour auf das Matterhorn über den Liongrat zu starten. Dieser Ort liegt in Italien und ist daher ein wenig günstiger als das schweizerische Zermatt auf der anderen Seite des Berges, dafür wirkt das Matterhorn von hier nicht annähernd so eindrucksvoll. Parken kann man direkt vor dem Ortszentrum (unter der Woche im August bei Schönwetter war noch genug frei, an Wochenenden im Hochsommer könnte es aber eng werden).
Hier geht’s zum Google Maps Link zum Parkplatz (kostenpflichtig) >>
Beschreibung der Tour
Tag 1 – Aufstieg zum Rifugio Jean Antoine Carrel (Biwak auf 3800m)
Am ersten Tag möchten wir von Breuil-Cervinia (auf circa 2000m) bis zum Carell Biwak (Rifugio Jean Antoine Carrel) auf ungefähr 3800m aufsteigen. Wir starten daher zeitig vom Parkplatz und gehen auf das Rifugio Abruzzi, wo wir erst mal ausgiebig frühstücken beziehungsweise Mittagessen, da wir danach nur mehr das haben werden was in unserem Rucksack ist.
Bis zur Abruzzi Hütte auf 2800m ist der Weg eher leicht und nur mäßig steil. Nach der Hütte geht es an einem Teich vorbei und teilweise über Schuttfelder, wo es schon recht schwierig wird den Weg zu erkennen. Auf 2900m sieht man noch das „Croce Carell“ ein Kreuz zu Ehren Jean Antoine Carrels, der Erstbesteiger dieser Route. (ACHTUNG: Nach dem Kreuz, auf einem Schuttfeld, gibt es das letzte Mal fließendes Wasser aus einem Bach – daher unbedingt die Wasserflaschen hier auffüllen!) Wir gehen über zwei Schneefelder unter dem Grat steil nach oben, diese sind aber recht gut begehbar und dem steinigen Weg wenn möglich vorzuziehen. Beim Grat wird es kurz sehr ausgesetzt, danach geht es etwas südlich des Grats über Serpentinen zum Kletteraufschwung, welcher nicht weit unter dem Biwak ist. Bei der steilen Flanke die zuvor gequert wird, sollte man aufpassen am Weg zu bleiben, da man sonst in ungemütliche Situationen mit rutschenden Platten in steilem Gelände kommen kann, Es ist zwar nicht schwer hier wieder rauszukommen, aber man verliert unnötig Zeit.
Der Kletteraufschwung unter dem Biwak ist mit einem dicken Fixseil versichert und circa 3-4 Meter hoch. Da man sich aber schon auf ungefähr 3700m befindet, kann diese Passage bei schlechter Akklimatisation schon zu einer Kraftübung werden. Am besten man lässt sich wenn möglich von oben sichern und/oder richtet sich eine Selbstsicherung her, die bei Bedarf eingehängt werden kann. Nach dem Fixseil geht man fast schon gemütlich zum dreistöckigen Carell Biwak.
Tag 2 – Gipfeltag und Abstieg zum Rifugio Abruzzi (auf 2800m)
Ab dem Biwak beginnen die Schwierigkeiten. Über dem Kletteraufschwung hinter der Hütte geht es rechts haltend um einige Gendarmen herum. Man quert nur selten auf den Grat, daher ist die Wegfindung schwieriger und man sollte immer wieder nach Haken und Steinmänner Ausschau halten. Die Topo-Beschreibung ausgedruckt mitzuhaben ist sehr hilfreich wenn man mal keine Zeichen sehen sollte, oder man schafft es an einer der vorgehenden Gruppen so nah dran zu sein um ihnen nachzusteigen. Wir gehen viel „am laufenden Seil“, das heißt wir binden unsere bestehenden Seile ab, bis circa 20-30m Seil übrig sind und gehen so fast die ganze Zeit gleichzeitig und sind trotzdem gesichert. Am Weg entlang gibt es immer wieder verschiedenste Versicherungen – Bohrhaken, Drahtseile wie bei einem Klettersteig, dicke Fixseile, Eisenketten, Trittleitern, usw.
So gehen wir bis zum ca. 40m langen „Tyndall-Seil“ und danach nun endgültig auf den Grat. Es geht weiter nordseitig über abschüssige und sehr ausgesetzte Platten zum Pic Tyndall (guter Rastplatz). Ab dem Pic Tyndall muss man kurz etwas absteigen. Hier kommt man zu einer Stelle wo man einen kleinen Turm abklettern muss, dann zu einem weiteren Turm hinübersteigen und dort über einen vereisten Steg (circa 20cm breite, 2m lange Gratscheide) zu einer abschüssigen Platte hinüber muss. Die Kletterei ist recht einfach, hier geht es mehr um die mentale Stärke, da die Ausgesetztheit sehr hoch ist. Es sind aber Versicherungen vorhanden, die man natürlich benutzen sollte!
Danach geht es über teilweise schlecht zu erkennendes Gelände relativ zentral auf den Gipfel zu (nicht zu lange zögern und den Bohrhaken folgen, es gibt dort einen kurzen Aufschwung). Ist man nach der letzten kraftraubenden Stelle (eine überhängende Strickleiter – Sicherung vorbereiten für Pausen auf der Leiter) abermals bei einem Fixseil, hat man es fast geschafft; links um einen Felsturm geht es auf den letzten Aufschwung und auf den Gipfel. Das Kreuz auf der italienischen Seite ist der Hochpunkt der Tour (obwohl es 2m unter dem höchsten Punkt steht). Wer die Gipfelschneide überschreitet, sieht am anderen Ende nur den Blick nach Zermatt.
Unser Abstieg erfolgt über den Aufstiegsweg. Man darf sich aber nicht täuschen, meistens braucht man hinunter genauso lange wie hinauf (durch die Abseilmanöver).
Wer genug zu essen und zu trinken mit hat, kann nochmals im Carell Biwak übernachten, in unserem Fall steigen wir bis zum Refugio Abbruzzi ab, was weitere 4 Stunden dauert. Insgesamt haben wir für die Tour 16 Stunden benötigt, wer gut akklimatisiert ist und eventuell jemanden vor einem hat der den Weg kennt, kann es sicher auch schneller schaffen. Im Refugio Abbruzzi sollte man eventuell reservieren, die Zimmer und Notlager waren in unserem Fall (Sommer unter der Woche) alle voll.
Empfehlungen & Hinweise
- Wir haben auf einem nahegelegenen, aber verlassenen Parkplatz in Breuil geschlafen (im VW Bus beziehungsweise auf einer aufblasbaren Matratze daneben). Es hat niemanden gestört, aber wer das nicht möchte sollte sich rechtzeitig um ein Zimmer umsehen (bei kurzfristigen Planungen aber schwierig und sehr teuer wenn man mitten in Breuil-Cervinia sein möchte).
- Nach dem Refugio Abbruzzi noch unbedingt Wasser auffüllen, es gibt weiter oben sonst keine Möglichkeit mehr (außer man hat einen Campingkocher zum Schnee schmelzen dabei – bei der Hütte gibt es auch im August noch Altschneefelder)
- Man sollte relativ früh (bis circa 15 Uhr) beim Carell Biwak ankommen, sonst kann es durchaus sein, dass man keinen Platz mehr bekommt und die Nächte draußen sind auch im Hochsommer sehr kalt. Aber Achtung: Im Biwak ganz oben in der dritten Reihe wird es in der Nacht sehr, sehr heiß und der „Aufstieg“ ist relativ mühsam, daher lieber wenn möglich in der zweiten oder ersten Reihe schlafen. Die Nacht im Biwak ist kostenpflichtig (circa 12 Euro pro Person).
- In der Früh um circa 4 Uhr haben wir alle vorweg gehen lassen, das hatte zur Folge, dass wir den Liongrat und auch den Gifpel danach (!) praktisch für uns alleine hatten (da viele über den leichteren Hörnligrat absteigen). Außerdem haben wir alles was wir nicht brauchen im Biwak gelassen um Gewicht zu sparen.
- Eine Akklimatisationstour am Vortag (z.B. auf das Breithorn nebenbei) kann helfen die Tour schneller absolvieren zu können, ansonsten ist die Höhe und die damit verbundene Kurzatmigkeit auf jeden Fall ein erschwerender Faktor.
- Aufpassen: Beim Seil abziehen immer darauf achten, dass das abzuziehende Ende nicht am Stein liegt, sonst kann es leicht passieren, dass es eingeklemmt wird und jemand noch einmal hochklettern muss um es zu befreien (ist uns zweimal passiert).
- Die Schwierigkeiten der Einzelstellen halten sich in Grenzen (max. III), aber die mentale Beanspruchung durch die ständige Ausgesetztheit kann einem schon zusetzen. Wichtig ist gut auf Zeichen wie Bohrhaken, Seile und Co. zu achten um den korrekten Weg zu finden, die Sicherungen zu benutzen und so schnell wie möglich vorwärts zu kommen.